So wenig wie irgend nötig

Downsizing für mehr Performance

Downsizing für mehr Performance

DIGGER Hamburg hat ein neues Projekt. Die Entwicklung eines 24′ Kleinkreuzers, die Bente 24. Ein modernes „Folkeboot“, mit dem DIGGER Gewässer jenseits der Ostsee befahren will. Vielleicht bis Sizilien? 24-25 Fuß, „schnell“, „hochseetauglich“, „simpel“, „sexy“, „bezahlbar“, so stellen sich Alexander Vrolijk und Stephan Boden die Yacht ihrer Wünsche vor. Die Umsetzung hat begonnen. Auf Facebook hat DIGGER eine Gruppe eröffnet, für Fragen, Anregungen, Kritik. Sehr spannend. Was da wohl für Anregungen kommen? Und was wird davon realisiert? Und wie?

Die Idee von DIGGER ist ein Design hochsetauglich nach Kat. B, aber die Erwartungen der Facebook-Gruppenmitglieder sind durchaus vielfältig. Der eine möchte ein traditionelles Tourenschiff, der nächste einen Racer. Der eine favorisiert einen rassigen Daysailor für die Küste, der nächste liebäugelt mit einem Design geeignet für Binnenreviere. Der Wunsch ein sportliches Boot zu bekommen scheint zu überwiegen. Festkiel, Hubkiel und Kielschwertversionen werden diskutiert. Cockpit geschlossen oder nach achtern offen? Einbaumotor, Außenborder oder Elektroantrieb? Angehängt oder im Schacht? Einfach- oder Doppelruderanlage? Sollte das Boot nicht doch lieber ein echtes Trailerboot werden? Stehhöhe und Nasszelle tauglich für 2 m Menschen? Und vereinzelt der zaghafte Einwurf, ob mann denn für ein paar Minuten Gleitfahrt die ganze restliche Zeit dem platten Surfbrettboden viel Komfort opfern möchte…

Interessanterweise fehlt bei dieser ganzen Diskussion – und der Grund dafür dürfte sein, dass die meisten, die sich in der Diskussion zu Wort melden, auf Binnenrevieren oder im Küstenbereich der Ostsee segeln – das Stichwort Seetüchtigkeit. Ich bin mir sicher, diese Diskussion würde in England und Frankreich, wo die Tourensegler im Englischen Kanal,  an den Küsten der Biskaya und in der Irischen See (Stichwort Fastnet 1979) unterwegs sind, anders geführt werden.

Wie soll denn dieses neue Boot nun tatsächlich aussehen? Überrascht von den zahlreichen Forderungen nach Einbaudiesel, Stehhöhe und Nasszelle stellt DIGGER die provokante Frage, worauf es beim Segeln ankommt: 1. „stehen“? 2. „motoren“? 3. „scheißen“? oder 4. „segeln“?

Zwei Klicks für „stehen“, ein Klick für „motoren“, vier Klicks für „scheißen“ und 42 Klicks für „segeln“ – und über 700 Gruppenmitglieder, die sich gar nicht dazu äußern.

Nach ein paar Tagen scheint der Austausch über die Designmerkmale schon festgefahren zu sein und ich habe inzwischen eine Idee davon, wie schwer es für eine Werft ist, Vorgaben bei der Neuentwicklung eines Bootes zu machen. Welche Zielgruppe will man denn eigentlich ansprechen?

„Schnell“ und „sexy“ soll das Boot sein. Wer schnell segeln will, segelt auch gerne Regatten. Welche Klassen nehmen an MAIOR, der Kieler Woche und an anderen größeren Regatta-Events teil? Albin Express, Folkeboot, J/24, J/70, J/80, Melges 24, Platou 25, X-79 und X-99 finde ich auf der Webseite des KYC. Nicht mit allen diesen Booten verbinde ich die Attribute „schnell“ und „sexy“, aber mit den meisten dieser Booten kann man auch problemlos Touren segeln. Sind das Designs, mit denen die Bente 24 konkurrieren soll?

„Schnell“ und „sexy“, aber auch „hochseetauglich“ soll das Boot sein. Ein Folkeboot mit selbstlenzendem Cockpit ist sicher uneingeschränkt hochseetauglich, aber weder „schnell“ noch „sexy“. DIGGER hat die Spaekhugger und die Shark 24 erwähnt, die ihm sehr gefallen. Auch Boote, mit denen erfolgreich weite Reisen gemacht worden sind, aber inzwischen „modern Classics“ und nicht mehr wirklich „sexy“. Auch wenn z.B. die J/80 nach Kat. B zertifiziert ist, würde ich sie gefühlsmäßig nicht mit dem Attribut „hochseetauglich“ belegen. Das Cockpit der J/80 ist zu lang, die Kajüte zu klein. Das ganze Layout ist zu sehr auf Dreiecksregatten mit 4-5 Personen Besatzung ausgelegt. Ein „hochseetaugliches“ Boot, auf dem man mit kleiner Besatzung unterwegs bin, muss auch einhandtauglich sein, wenn man nachts durchsegelt.

„Schnell“, „hochseetauglich“, „simpel“ und „sexy“, fast alles das, was DIGGER und Alexander Vrolijk anpeilen, wird in Frankreich schon gebaut – nur nicht in 24-25 Fuß. Ich meine die Pogo 30. In der YACHT 14/2013 ist die Idee dahinter sehr schön beschrieben. Normalerweise wird alles größer: Abmessungen, Funktionsumfang, Komfort, Gewicht. So gesehen ist die Pogo 30 geradezu verrückt, jedenfalls entschieden unnormal. Die Werft hat eine fast schon verstörende Konsequenz im Weglassen kultiviert. Performance ist der einzig erlaubte Überfluss. Keine Schapps unter der Kajütdecke, zu viel Gewicht hoch im Schiff. Positionslaternen am Heckkorb spart Kabelgewichte. Rutschhemmende Bodenbeläge statt Bodenbretter. Keine Türen, nur Stoffbahnen zur Abtrennung der Kabinen. Eingeschränkte Stehhöhe – Primat des tiefen Massenschwerpunktes. Bei einem leichten Boot, bleiben auch die Lasten gering, das spart Gewicht. Simpel und leicht, reduziert und konzentriert – das ist der Katechismus bei Pogo.

Wie war das? Mehr Speed durch höhere Geschwindigkeit 😀

Beim Thema „bezahlbar“ und „speed“ wird man Kompromisse mache müssen, denn das wird auch klar aus dem YACHT Artikel über die Pogo 30. Leichtbau und Genaufertigung sind teuer. Wenn die Bente 24 „bezahlbar“ sein soll, wird sie ein kleines bisschen weniger „schnell“ und weniger „sexy“ sein. Aber nur so kann die Bente 24 aussehen. Downsizing. Für mehr Performance.

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