Rumpfgeschwindigkeit

Wellenbildung bei "Rumpfgeschwindigkeit"

Wellenbildung bei „Rumpfgeschwindigkeit“

Ein Thread auf Facebook in der Gruppe „EINHANDsegler & EINHANDsegeln“ verführte mich, dazu mal etwas zu schreiben – zum Thema „Rumpf-geschwindigkeit“.

Jeder Segler kennt die Formel, wie man sie berechnet: die „Rumpfgeschwindig-keit“ [kn] = 2.43 x Wurzel aus LWL („Länge in der Wasserlinie“ [m]). Bei der SNAEDIS ist die Länge in der Wasserlinie genau 9 m, und die Rumpfgeschwindig-keit beträgt demzufolge 7.3 kn.

Unter „Rumpfgeschwindigkeit“ versteht man allgemeinhin die Geschwindigkeit, die ein Fahrzeug mit Verdrängerrumpf nicht überschreiten kann, weil ab dieser Geschwindigkeit der Strömungswiderstand stark ansteigt. So oder ähnlich wird die „Rumpfgeschwindig-keit“ in der entsprechenden Fachliteratur definiert.

In der Englischsprachigen Segelliteratur findet man ähnliche Formeln zur Abschätzung der „Rumpfgeschwindigkeit“. Chichester zum Beispiel schreibt in seinem Buch über seine Weltumseglung: „Jedes Schiff sollte auf eine Geschwindigkeit (in Knoten) kommen, die dem 1.3fachen der Quadratwurzel aus der Wasserlinienlänge (in Fuß) entspricht“, und „Eine nur auf Geschwindigkeit gebaute Jacht, wie etwa ein Rasse-„Zwölfer“, kann eine Höchstgeschwindigkeit erreichen, die dem 1.5fachen der Quadratwurzel aus der Wasserlinienlänge entspricht“. Für die SNAEDIS ergäbe sich demnach eine Rumpfgeschwindigkeit von wenigstens 7.1 kn (mit Faktor 1.3) und höchstens 8.2 kn (mit Faktor 1.5).

Hier wird also schon einmal differenziert zwischen durchschnittlichen Booten (jedes Boot) und „Performance Booten“ (Rasse-„Zwölfer“). Offensichtlich ist die „Rumpfgeschwindig-keit“ also nicht einfach nur von der Länge in der Wasserlinie abhängig, sondern auch davon, ob ein Boot „auf Geschwindigkeit gebaut ist“, oder eben nicht.

Ein einfacher Verhältniswert, der aber viel über das Potential eines Bootes aussagt, ist der sogenannte „Schlankheitsgrad“. Der „Schlankheitsgrad“ ist die „Länge in der Wasserlinie“ [m] geteilt durch die dritte Wurzel aus der „Verdrängung“ [m³]. Je länger die Wasserlinie im Verhältnis zur Verdrängung, bzw. umgekehrt, je weniger Verdrängung im Verhältnis zur Länge in der Wasserlinie, desto schlanker die Form („Schlankheitsgrad“), und desto geringer der Strömungswiderstand.

Ein traditioneller Colin Archer (40 ft LOA, 17-20t Verdrängung) hat einen Schlankheitsgrad von etwa L/V(1/3) = 4. Cruiser/Racer aus den 70er/80er Jahren (40 ft LOA, 9-10 t Verdrängung) liegen bei etwa L/V(1/3) = 5, heutige Performance Cruiser (40 ft LOA mit ungefähr 7 t Verdrängung) bei etwa L/V(1/3) = 6 und reinrassige moderne Rennmaschinen wie die J/125 oder Open 40 (40 ft LOA mit weniger als 4 t Verdrängung) kommen auf bis zu L/V(1/3) = 8.

Klassischer Verdränger bei "Rumpfgeschwindigkeit"

Klassischer Verdränger bei „Rumpfgeschwindigkeit“

Die „Rumpfgeschwindigkeit“, die traditionelle Verdränger nicht überschreiten können, resultiert aus der Überlagerung von Bug- und Heckwelle. Bei „Rumpfgeschwindigkeit“ überlagert sich der zweite Wellenberg der Bugwelle mit der Heckwelle so, dass sich die beiden Wellenberge addieren. Steigert man die Geschwindigkeit weiter, fängt das Boot an zu „steigen“, das Heck sinkt ab und die Heckwelle wird steiler und bricht. In diesem Zustand steigt der Wellenwiderstand besonders steil an.

Moderne leichte Bootsformen haben nicht nur statisch eine geringere Verdrängung, sondern auch in Fahrt müssen sie weniger Wasser „zur Seite schieben“ (verdrängen). Die flachen, breiten Hecks erzeugen bei Fahrt kaum bzw. eine viel flachere Heckwelle als traditionelle Formen. Beides führt dazu, dass Bug- und insbesondere die Heckwelle bei weitem nicht so viel Wasservolumen aufweisen und sich bei gleicher Geschwindigkeit auch nicht so steil aufstellen, wie beim traditionellen Verdränger. Dadurch können die modernen, leichten Formen sehr viel höhere Geschwindigkeiten erreichen, als traditionelle Segelyachten. Die Geschwindigkeiten entsprechen eher denen von „Halbgleitern“ oder „Gleitern“, die man eigentlich nur von Jollen oder Motorbooten her kennt.

Die übliche Formel zur Abschätzung der höchsten, über einen längeren Zeitraum erreichbaren Geschwindigkeit kann man auch für moderne Formen anwenden, wenn man den Faktor „2.43“ variiert. Vielleicht so:

v [kn] = 2.35 x Wurzel aus LWL [m] — für L/V(1/3) = 4

v [kn] = 2.55 x Wurzel aus LWL [m] — für L/V(1/3) = 5

v [kn] = 2.95 x Wurzel aus LWL [m] — für L/V(1/3) = 6

v [kn] = 3.60 x Wurzel aus LWL [m] — für L/V(1/3) = 7

v [kn] = 4.50 x Wurzel aus LWL [m] — für L/V(1/3) = 8

Natürlich haben noch viel mehr Faktoren einen Einfluß auf die erreichbare Geschwindigkeit. Die vorhandene Segelfläche, die Stabilität des Bootes, die Windstärke, der Kurs zum Wind, und natürlich die Bootsform selbst.

Moderne Boote mit wenig Gewicht und flachen Formen überschreiten nicht ihre „Rumpfgeschwindigkeit“ – ihre „Rumpfgeschwindigkeit“ (als die höchste, über einen längeren Zeitraum erreichbare Geschwindigkeit) ist nur (viel) höher als bei traditinellen Verdränger-Formen.

Die kurzzeitige, im Surf erreichbare Geschwindigkeit, kann leicht um 50% höher liegen. Im hohen Seegang mit genügender Segelfläche auch um 75% bis 100% höher.

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