Two feet – What size?

Erster Seetag auf dem Weg nach Göteborg

Erster Seetag auf dem Weg nach Göteborg

Gestern Abend habe ich noch etwas gelesen. Als ich morgens ein Auge aufmache ist es schon hell. 7:25 Uhr. Ooops! In fünf Minuten antreten zum Frühstück, jetzt aber hoch. Geduscht wird später, für erste muss der Kamm reichen. Es ist diesig, manchmal kann man kaum Wasser um das Schiff erkennen, dann scheint sich die Sonne durch den Dunst zu quälen. Meine beiden Beifahrer sitzen schon in der Messe. Es gibt Obst, Müsli, gekochte Eier, frische Brötchen und überbackene Toastscheiben mit Schinken und Tomate vom Buffet. Auf einem Kreuzfahrtschiff könnte es kaum besser sein.

Blick von den Rettungsbooten nach vorne zur Brücke

Blick von den Rettungsbooten nach vorne zur Brücke

Nach dem Frühstück Sicherheitsein- weisung vom 3. Offizier Leonardo. Fluchtwege, ISPS Vorschriften, Mülltrennung, Muster Station, Rettungsmittel (Schwimmwesten und Überlebensanzüge), Rettungsboote. Für mich als Schiffsentwerfer nicht allzu viel Neues, dafür habe ich zu viele Generalpläne gezeichnet. Danach gehen wir auf die Brücke und werden von einem freundlichen „Hello“ begrüßt. „Did we met already yesterday in the dark?“, frage ich den freundlichen Herren auf der Brücke. „Yes, I opened the door for you“, grinst er mich an. Der „Seaman“ von gestern Abend war also der 1. Offizier (IO), der gerade Wache hat. „One man bridge operation“, ein einsamer Job. Johan freut sich mit jemandem klönen zu können.

Container auf dem Ladungsdeck

Container auf dem Ladungsdeck

Wir sind die Nacht hindurch durch den Großen Belt nach Norden gefahren und passieren gerade Sjaellands Rev. Auf der elektronischen Seekarte sehe ich einen großen Windpark zwischen Grenaa und Anholt. Der war doch 2010 noch nicht da? „No, this windpark is brand new“, meint Johan und erklärt mir, dass wir wegen des tieferen Wassers und der möglicheren höheren Geschwindigkeit nicht durch den Sund nach Norden fahren. Das diese Schiffe trotz der hohen Stabilität mit den Flume Tanks (Schlingerdämpfungstanks) ein angenehmes Rollverhalten haben. Nachmittags werden wir in Göteborg ankommen, nach etwa fünf Stunden Aufenthalt werden wir wieder auslaufen und nachts gegen 3 Uhr werden wir Kopenhagen passieren, erklärt er mir die Reiseplanung. Johan beklagt sich, das der Beruf des Nautischen Offiziers keine Zukunft habe (zumindest als Europäer) und er schimpft über die verrückten Reeder, die trotz bereits vorhandene Überkapazitäten immer neue größere Schiffe bauen.

Vor dem Mittagessen begebe ich mich mit meinem Photoapparat auf Motiv Jagd. Bei dem diesigen Wetter nicht so erfolgreich. Und leider hat mein Laptop keinen Slot für die SD-Karte, so kann ich hier keine Fotos hochladen. Zum Mittagessen gibt es Nudeln mit einer Schinken-Pilz Soße – sehr lecker. Dazu Salat und wer mag, zum Nachtisch verschiedene Sorten Melone.

Bevor wir in die Göteborger Schären einlaufen haue ich mich auf die Koje und lese, ich habe reichlich Bücher mit. Am neugierigsten bin ich auf „Die Grundformen der Angst“ von Fritz Rieman, eine tiefenpsychologische Studie. Und ein paar Krimis habe ich dabei, die müssen sich noch etwas gedulden. Irgendwie wird es schon wieder dunkler, dabei haben wir erst frühen Nachmittag. Als wir die ersten Schären passieren, fängt es an zu regnen. Immer noch kein Photowetter.

Ein kleines Containerschiff in Göteborg

Ein kleines Containerschiff in Göteborg

Um so interessanter, wie der Kapitän die TRANSTIMBER hier an den Kai bringt. Als es enger wird, übernehmen der Kapitän und Johan vom 3. Offizier. Vor dem Containerterminal drehen sie das Schiff. Mit Verstellpropeller, zwei Querstrahlern vorne und einem Querstrahler achtern und so gut wie ohne Wind eine leichte Angelegenheit. Von der Backbord Nock hat der Kapitän einen ausgezeichneten Blick auf unseren Liegeplatz und manövriert sein Schiff zentimetergenau rückwärts an den Kai. Johan hat über Sprechfunk Kontakt zur Crew auf dem achteren Verholdeck. „80 m…, 60 m…, 40 m…, 20 m…, 10 m…, 2 m…“, wegen der Heckrampe muss das Schiff genau in Position gebracht werden. „Two feet“, höre ich aus der Handfunke. Der Kapitän peilt über die Schulter an Hand der Containerstapel, wie weit er noch achteraus muss. „What size?“, fragt er trocken, und bringt das Schiff mit einem kurzen Schub voraus zum stehen.

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