Silver Rudder 2014

Am Mittwoch vor dem SILVER RUDDER segele ich von Strande nach Svendborg. Nicht erst auf dem letzten Drücker wie im vergangenen Jahr, diesmal will ich den Donnerstag noch in Svendborg zur Vorbereitung auf das Rennen haben. In Strande liegt mir gegenüber eine graue X, aber das ist doch nicht Ulf’s EARL GREY, die da sonst liegt? Der Segler scheint alleine unterwegs zu sein, bunkert noch Wasser, und hat schon seine Rettungsweste mit Lifeleine an, als ich auslaufe. Dann rate ich mal, das er auch nach Svendborg unterwegs ist 🙂

Der Hafen füllt sich...

Der Hafen füllt sich…

Zunächst ENE 4, der im Tagesverlauf etwas rechtdreht und leicht zunimmt. Marstal kann man gut anliegen. Die X von Ulf’s Liegeplatz ist kurz nach mir ausgelaufen. Eine X 332, wie ich später in Svendborg sehe, ist einen Ticken schneller als ich. Bei Bülk liegt sie noch etwas achteraus, bei der Ansteuerung Marstal hat sie mir 10 min abgenommen. Mit einem Yardstick von 93 darf sie das auch. An Birkholm vorbei, laufe ich Svendborg von Westen her an. Der Strom soll nachmittags noch nach Osten setzen, das vereinfacht die Sache, auch wenn ich die letzten Meilen bis zum Hafen aufkreuzen muss. Als ich um 18 Uhr ankomme, ist der Hafen schon ziemlich voll. Ein letzter Platz längsseits an den Schwimmpontons ist noch frei. Kurz nach mir läuft Jan Möller mit seiner Aphrodite 101 CHELSEA ein und geht bei mir längsseits. Er hät im letzten Jahr in seiner Klasse das SILVER RUDDER mit einem riesen Abstand gewonnen, ein alter Fuchs, der die Ströumngsverhältnisse um Fünen genauestens kennt.

Am Donnerstag vormittags im Wettfahrtbüro melden, die Startnummer ankleben, Sicherheitskontrolle, den Wassertank füllen, ein paar Lebensmittel einkaufen. Ich koche einen großen Topf Nudeln mit Sauce Bolognese, ein Drittel für heute, und den Rest für die Regatta. Das kann ich notfalls auch kalt essen. Abends die neuesten Wetterberichte für Wind und Strom checken. Wenn es tatsächlich im Uhrzeigersinn rund Fünen geht, haben wir ENE-Wind nördlich von Fünen, der im Laufe der Nacht immer weniger werden wird. Und dann starken N-setzenden Strom im Großen Belt. Das wird ja spannend am Samstag, Flaute, und Strom von vorne…

Silver Rudder Race 2014

Spinnaker Start nach Westen

Spinnaker Start nach Westen – (c) BadNyt

Neben mir liegen eine Sagitta 35 und ein Spaekhugger. Wie praktisch, der Spaekhugger startet in der „kleinen“ Klasse, und die Sagitta 35 in der „mittleren“ Klasse. Die werden dann ja auf jeden Fall vor mir los wollen (SNAEDIS gehört mit 36 ft schon zu den „großen“ Kielbooten) und dann gibt es kein Gebastel beim Ablegen. Um 8:30 Uhr lege ich ab, dann kann ich schon mal schauen, wie die kleineren Boote vor mir starten. Als kleinstes und langsamstes Boot in der Klasse muss ich nicht aus der ersten Reihe starten. Beim Start vor dem Wind würde ich von allen abgedeckt und überholt, und das im Gedrängel des engen Fahrwassers. Ich werde auf der rechten Seite starten, und zwar schön langsam, wenn alle anderen schon auf dem Weg sind, um dann mit dem ersten Schlag ungestört auf die linke Seite fahren zu können.

Zeit fürs Manövertraining

Zeit fürs Manövertraining

Mit dem Gennaker ist so ein erster Stück platt vor dem Laken natürlich blöd. Das Halsen ohne Baum ist zwar einfach aus dem Cockpit zu machen, aber ich kann nicht so tief fahren, wie mit einem normalen Spinnaker. Außerdem hätte ein schöner Downwind-Spi rund 25 m² mehr Segelfläche. Nun ja. Bis wir bei Lyö sind, habe ich Gelegenheit, alles mögliche auszuprobieren. Halsen mit den Schoten zwischen Vorstag und Gennaker (gibt gerne mal Tüdel und ’ne Eieruhr), Halsen mit den Schoten vorne um den Gennaker herum (geht besser, wenn die Schoten lang genug sind um sie ganz „fliegen“ zu lassen), den Gennaker wie einen Spinnaker mit Baum fahren (dann kann man auch fast so „tief“ fahren wie mit einem normalen Spi), Gennaker zum Halsen in den Strumpf bergen und dann Hals und Schothorn umschäkeln (unpraktisch, dauert ewig und viele Möglichkeiten, was wieder verkehrt anzubauen), den Gennaker in Luv vom Großsegel frei fliegend zu fahren (funktioniert gut, wenn der Kurs etwas „überhalst“ ist, d.h. eigentlich ist das Großsegel etwas in Luv, und der Gennaker in Lee – ist aber nicht besonders schnell).

Sonnenuntergang im Kleinen Belt

Sonnenuntergang im Kleinen Belt

Hinter Lyö biegen wir rechts ab in den Kleinen Belt. An den Booten vor uns kann man sehen, dass wir bald in der Flaute liegen und anfangen werden zu kreuzen. Dabei scheint unter Land etwas mehr Wind zu sein. Ich berge meinen Gennaker schon zeitig und bin in meinem Pulk von Booten dann einer der ersten, die hoch am Wind mit der Genua weitersegeln. Bis kurz vor Bagö dauert diese Episode, dann setzt sich wieder der angesagte NE-Wind durch. Die ganze Zeit segele ich neben einer „Ylva“ her. Das wundert mich eigentlich, ist dieser Dänische Klassiker doch 40 ft lang – wenn auch mit weniger Segefläche, aber auch mit deutlich weniger Gewicht als die Avance. Enja simst mir, dass ich wohl ganz gut durch die Flaute durchgekommen bin. Während ich meist noch 3 kn auf der Uhr hatte, fuhren alle Boote hinter mir wohl nur noch 1 kn.

Bis wir bei Middelfart sind, ist es schon dunkel. Von achtern kommt ein kleiner Frachter, der bei der Anzahl an kleinen Radarechos (Segelboote) verzweifelt sein Nebelhorn betätigt, um durchgelassen zu werden. Mich hupt er auch an, gerade im unpassendsten Moment. Jaja, ich wende ja schon. Prompt handele ich mir einen kapitalen Überläuder auf der Steuerbord Schotwinsch ein. Mist, eigentlich muss ich sofort wieder zurück wenden, dann wird es zu flach. Nach oben rausziehen? Nix! Mit der anderen Winsch? Sitzt alles bombenfest! Her mit dem Messer! Meine arme Schot! Klar zur Wende? Ritsch-ratsch! Schot auf der Backbord Seite dicht, und dann schnell den Rest Schot auf der Steuerbord Seite wieder klarmachen.

Mitten im Fahrwasser genau hinter der Eisenbahnbrücke wird gebaggert. Auf einem Ponton steht ein riesen Bagger, der nach Luv seine Baggerschaufel in das Fahrwasser taucht. Komme ich da vorbei? Alle Höhe mitnehmen! Hier irgendwo muss ich die „Ylva“ abgehängt haben, die seit Bagö vor mir hergefahren ist.

Wind NE4 sagt der Wetterbericht für die Nacht vorher, tendenz abnehmend. Dann lass ich die große Genua mal drauf. Die G3 liegt zwar fertig zum wechseln unter Deck, aber das spar ich mir jetzt. Bis Äbelö müssen wir kreuzen, und anscheinend fahre ich gerade in das Feld der kleineren Sterter hinein. Viele Boote vor mir, denen ich schnell näher komme. Wir müssen alle ganz schön aufpassen, mit so vielen Seglern hier. Hinter Strib erst einen längeren Schlag in Richtung Bogense, dann mit kürzeren Schlägen zur roten Untiefentonne vor Äbelö. Von da bis Fyns Hoved können wir den Kurs jetzt anliegen.

Nebel weg, Wind weg. Pause.

Nebel weg, Wind weg. Pause.

Leider zu früh gefreut. Der Wind dreht auf E und wir kreuzen fleißig weiter. Mit der ersten Dämmerung wird es plötzlich wieder dunkler, die Sterne verschwinden und wie aus dem Nichts finden wir uns plötzlich im dicksten Nebel wieder. Dank GPS treffe ich die rote Tonne am Lillegrund direkt auf den Kopf (bei weniger als 50 m Sichtweite). Das ist auch gut, denn so sehe ich, dass hier bestimmt 1-1,5 kn Strom stehen, natürlich von vorne. Im dicksten Nebel kreuze ich dicht unter Land (zwischen der 5m und der 10m Tiefenlinie) in Richtung Romsö und Kerteminde. Als ich gerade mein Nebelhorn aus der Hundekoje hole, stoße ich fast mit einem Dänen zusammen. Um überhaupt etwas sehen zu können, bin ich unentwegt dabei, die Brillengläser abzutrocknen. Wenn die Sicht mal ein kleines bißchen besser wird, sieht man immer mal wieder ein anderes Boot. Die Melges 24, die durch den Nebel flitzt. Oder die etwas kleinere Avance 33 aus dem Start vor mir. Eine ganze Weile beharke ich mich mit der gleich schnellen Contrast 36, bis wir uns im Nebel aus den Augen verlieren.

Sonnenuntergang im Großen Belt

Sonnenuntergang im Großen Belt

Hinter Romsö wird die Sicht langsam besser, dafür wird der Wind immer schlaffer. Bis etwa 6 sm vor die Große Belt Brücke schaffen wir es, dort bleiben wir dann aber wie angenagelt liegen. Ab und zu kommt mal ein Windhauch, aber alles was wir in Richtung Ziel erkämpfen nützt nichts, der Strom spült uns unerbittlich wieder zurück. Neben mir liegt die Lady Helmsmann GT „Lagom“ und vor mir die Ylva „Sydfyns byggefirma“ hier in der Flaute. Da bin ich ja in guter Gesellschaft – beide größer als die SNAEDIS. Die „Olle Use“ von Udo (Warship 1010) kommt von achtern anmotort – aufgegeben. Ich esse noch einmal ausgiebig zu Abend (den Rest Nudeln mit Bolgnese von gestern), mache mich fertig für die Nacht (gefütterter Winter Arbeitsanzug – super wenn es nicht nass wird), und halte im Cockpit immer mal kurze Nickerchen von 10-30 Minuten – ist ja eh kein Wind.

Ich brauche jetzt mal ne Mütze Schlaf

Ich brauche jetzt mal ne Mütze Schlaf

Abends geht es endlich weiter. Ohne das man es richtig merkt, segeln wir wieder mit 2-3 kn in die richtige Richtung – und endlich haben wir um 23:40 Uhr die Brücke hinter uns. Der Wind kommt schwach aus WSW, im Laufe der Nacht nimmt der Wind langsam zu. Kurz vor Thurö Rev wechsele ich nun doch die große Genua gegen die G3 aus, das scheint mir für die Kreuz bis Svendborg die bessere Wahl zu sein. Wie vom Wetterbericht angedroht, fängt es an wie aus Eimer zu schütten. Na super, sonst wäre es ja auch zu einfach, die unbeleuchteten Tonnen zu finden und im flachen Wasser gegen den E-setzenden Strom gegenanzukreuzen. Als ich durchs Ziel gehe, ist es schon hell. Puuh! Geschafft!

Das war wirklich ein „Ironman zur See“, das diesjährige SILVER RUDDER. Hinter jeder Ecke neue Wetterbedingungen. Mit nicht enden wollender Flaute am Samstagnachmittag. 45 Stunden und 23 Minuten für die Strecke Rund Fünen. Obwohl ich ziemlich genau 10 Stunden länger unterwegs war, als im vergangene  Jahr, fühle ich mich nicht so erledigt. Ich habe die Flautenzeiten besser genutzt, um zu Essen und mich auszuruhen und auch zu schlafen. Bin mal gespannt, wieviel Segler aufgegeben haben, und wie viele durchgekommen sind. Um 12 Uhr wird die Preisverleihung sein. Dann kann ich erst am Montag zurück nach Strande segeln, und heute in der Nachmittagssonne das Schiff aufklaren.

Die Ergebnislisten bei der Preisverleihung überraschen mich dann aber doch. SNAEDIS liegt auf dem 7. Platz von 43 Startern in der Gruppe „large Keelboats“ – weil 35 Teilnehmer der Gruppe aufgegeben haben. Insgesamt sind nur 41 von 174 gestarteten Booten durchs Ziel gegangen.

Silver Rudder Tracker

Der Tracker des SILVER RUDDER 2014 ist online. Es ist wieder spannend, die Regatta noch einmal nachzuempfinden und mich mit der Konkurrenz zu vergleichen. In der Klasse „Medium“ sind vergleichbare Boote das große H-Boot H 35 und die Sagitta 35 (beide Yardstick 103), die Carat 34, die Maxi 999 und die Scanmar 33 (beide Yardstick 101) und die Waarship 1010 (Yardstick 100). Und in der Klasse „Large“ die Avance 36 (Yardstick 99) und mit vergleichbarer Yardstickzahl die Contrast 36 (Yardstick 96), die Lady Helmsmann GT (Yardstick 95) und die Luffe 37, die Sirena 38 und die Ylva (alle Yardstick 94).

Bis zum ersten Gate „Svelmö“ bin ich mit dem Feld gut mitgefahren. Auf dem nächsten Stück zum Gate „Helnäs“ habe ich deutlich (40 Min.) verloren, da bin ich mit dem Gennaker wohl zu tief gefahren und habe einige Halsen verdaddelt. Durch den Kleinen Belt hoch zum Gate „Hindgavl“ wieder eine gute Geschwindigkeit, durch die Enge bis zum Gate „Strib“ auch wieder gut (habe die „Ylva“ tatsächlich am Bagger abgehängt, die hat zuerst versucht ganz rechts unter der Brücke hindurchzufahren), aber gegenüber anderen ortskundigen Dänen 10-15 Min. verloren. Auf der Kreuz ist es wieder sehr gut gelaufen und ich habe bis zum Gate „Äbelö“ etwa 20 Min. und weiter bis zum Gate „Fynshoved“ noch einmal etwa 30 Min. gewonnen. Dann im Nebel bis zum Gate „Romsö“ verglichen mit ähnlichen Booten die beste Zeit. Zwölf Stunden (!) bis zum nächsten Gate „Store Baelt“ Brücke. Bis zum Gate „Thurö“ wieder eine gute Zeit (trotz zweimal 20 Min. ungeplantem Kurzschlaf kurz nach Mitternacht – kann man genau im Tracker sehen, tststs!), und zurück zum „Start/Ziel“ im Regenschauer gegen Strom und Wind im Vergleich mit ortskundigen Dänen rund 30 Min. verloren. Vielleicht war der Wechsel auf die G3 vom Speed her keine so gute Idee, vom Handling her schon.

Den Tracker werde ich mir sicher noch ein paar Mal anschauen um festzustellen, wo es noch besser hätte gehen können.

SNAEDIS kurz hinter Fynshoved auf der Kreuz nach Süden

SNAEDIS kurz hinter Fynshoved auf der Kreuz nach Süden – zum Tracker: Klick auf das Bild

Berichte über das SILVER RUDDER 2014:

YACHT online: „Fotos, Videos & Links zum Silverrudder“

YACHT online: „Wenn Wind schwächer ist als Wille“

BadNyt online: „Drenge og Maend“ (Jungs und Männer)

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