AAR Crewanforderungen

ARC2002, Ankunft in der Karibik

Auf meinen letzten Post gab es auf Facebook zwei Kommentare bezüglich der Anforderungen an die Crews der Atlantik-Reise. Ein Facebook-Freund, den ich nicht näher kenne, kommentierte, „Schade, dass über die normalen Führerschein-Kenntnisse herausgehende Qualifikationen gefordert werden“ (der Kommentar ist inzwischen gelöscht worden, aber sinngemäß, glaube ich, war er so) und ein Kommentar von Susanne von der SY „Zora“ bzw. SY „Sieben“, „Ich finde schon, dass man mehr können sollte, als bei den Prüfungen zum amtlichen Schein (SBF See, SKS) gefordert wird.“

Wie waren die Anforderungen für diese Reise?

Für den Atlantik und die Biskaya (Kategorie 1) für den Skipper: SHS bzw. C-Schein und für die beiden Wachführer: SSS bzw. BK-Schein. Für alle anderen Etappen (Nordsee, Englischer Kanal, Europäische Atlantikküste, Karibik, Antillen, US-Küste – Kategorie 2) für den Skipper und die beiden Wachführer: SSS bzw. BK-Schein. Zusätzlich den Sportbootführerschein und je nach Fahrtgebiet ein SRC/LRC Zertifikat. In der Crew zwei Personen mit Sani-Ausbildung (oder Arzt); ferner Skipper, Wachführer und 30% der Crew mit ISAF-Zertifikat.

Von den Skippern und Wachführern erwartet der Verein, dass sie bereits praktische Erfahrung als Skipper/Wachführer auf großen Yachten auf mehrtägigen Offshore Fahrten haben, weiterhin sollen mindestens 1/3-tel der Crew Erfahrung auf mehrtägigen Offshore Fahrten haben. Die Skipper müssen zusätzlich eine „Trimmerlaubnis“ für die „Kuh“ ablegen. Die Crew soll den Anforderungen der Reise in den jeweiligen Fahrtgebieten physisch und psychisch gewachsen sein.

Alle diese Forderungen finde ich gut nachvollziehbar und nicht unbedingt ungewöhnlich. Die Anforderungen gehen eigentlich nicht über die der amtlichen Führerscheine hinaus, jedoch will man eine Crew haben, die etwa zur Hälfte bereits Hochsee-Erfahrung hat. Das macht Sinn und gibt dem Skipper die Sicherheit, dass er das Boot notfalls mit dieser Hälfte der Crew segeln kann.

Einen ISAF-Lehrgang (typischerweise über ein Wochenende) kann ich nur jedem empfehlen, egal ob Segler mit oder ohne amtlichen Führerschein, weil einem dort komprimiert und praxisnah vermittelt wird, was alles bei längeren Fahrten über See wichtig sein kann:

Theoretischer Teil:
• Pflege und Instandhaltung der Sicherheitsausstattung
• Sturmsegel – Anwendung und Handhabung
• Schadenskontrolle und Reparatur
• Schweres Wetter – Vorbereitung und mentale Einstellung
• Person über Bord
• Unterstützung für andere Schiffe
• Unterkühlung
• SAR Organisation und Methoden
• Wettervorhersagen

Praktischer Teil (im Wellenbad Eckernförde bzw. bei der Firma Netlitz in Kiel):
• Rettungsinseln und Rettungswesten, Überlebenstraining See, Abwinschen
• Brandvermeidung und Brandbekämpfung, Fettbrand
• Herz-Kreislauf Wiederbelebung und Erste Hilfe
• Pyrotechnik und EPIRBs
• Leckabwehr

Die Forderung, dass Wachführer und Skipper bereits praktische Erfahrung als Skipper oder als Wachführer auf großen Yachten auf mehrtägigen Offshore Fahrten haben sollen und die Skipper eine „Trimmerlaubnis“ ablegen müssen, finde ich ebenfalls unbedingt für erforderlich. Der Verein legt die Verantwortung für das 16 m Boot und die Crew von bis zu 10 Personen in die Hand von Skipper und Wachführer und muss gewährleisten, dass diese die geplanten Etappen unter allen möglichen Wetterbedingungen pünktlich und vor allen Dingen sicher absegeln können. Und wenn man das Segeln auf 10-12 m Booten gewöhnt ist, sind 16 m definitiv ein sehr großes Boot.

Die Forderung nach der physischen und psychischen Fitness der Crew muss man in Zusammenhang mit der Ausrüstung der „Kuh“ verstehen. Anders als eine gleichgroße private Fahrtenyacht hat die „Kuh“ keine Kuttertakelung, keine Rollvorsegel, keine Lazy-Jacks, keine Ankerwinde (weder mechanisch, noch elektrisch), keine elektrisch betriebenen Fall- oder Schotwinschen, keine Selbststeueranlage, kein Bugstrahlruder. Also nichts, was einem irgendwie die Arbeit erleichtert. Ganz im Gegenteil, die Vorsegel werden im Profilvorstag gefahren, nicht an Stagreitern. Das heißt, wenn ein Vorsegel geborgen wird, muss die Crew auf dem Vorschiff jede Menge Quadratmeter frei fliegendes Segeltuch bändigen – schon bei moderatem Wind eine Aufgabe für viele Hände.

Auf längeren Seestrecken ist es üblich, dass das stehende und laufende Gut regelmäßig überprüft wird. Also, einmal in die Spibaumnock, die Schot auf Schamfilstellen checken, dann in den Masttop, die Fallen und Rollen checken, auf dem Weg nach oben die Wanten und Salingsbeschläge in Augenschein nehmen, auf dem Weg zurück nach unten die Segmente des Profilvorstages prüfen. Auf kurzen Etappen mag es ausreichend sein, dies im Hafen vor der Abfahrt und nach der Ankunft zu tun, aber auf längeren Etappen muss dies auch auf See erledigt werden. Und Schäden bei Schlechtwetter, die die Sicherheit des Schiffes beeinträchtigen? In solchen Situationen muss die Crew eben auch körperlich in der Lage sein, die Reparaturen auf See durchzuführen, auch oben im Mast und auch unter widrigen Bedingungen.

Und sonst noch? Das Steuern nur mit den Segeln bei festgesetztem Ruder? An- und Ablegen unter Segeln? Ja, das ist etwas, was typischerweise nicht in Prüfungen verlangt wird. Leider! Aber meiner Meinung nach sind das Grundfertigkeiten, die jeder Segler auf oder mit seinem Boot beherrschen sollte. Ich finde es wirklich bedenklich, dass es Segler gibt, die sich in Seenot wähnen (oder es tatsächlich auch sind), nur weil ihr Motor nicht funktioniert…

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